12 Wochen

Heut sind es 12 Wochen, 84 Tage, 2016 Stunden, 120'960 Minuten und 7'257'600 Sekunden, seit du die Hirnblutung hattest, seit der Rest unseres Lebens begonnen hat. Obwohl der Rest des Lebens ja jeden Tag, jede Stunde, Minute Sekunde beginnt. Es sind nur Zahlen und denn sind sie Eindrucksvoll. Wie oft sagen wir uns, du musst jeden Moment geniessen. Tun wir das wirklich? Wenn ich an dich denke Mum, dann bin ich sicher, dass du das so oft wie möglich auch gelebt hast und es vermutlich auch jetzt noch tust. Du ahnst nicht wie sehr ich mir wünschte du könntest uns genau sagen was du brauchst, was du willst. Klar es ist ein egoistischer Wunsch, denn es gäbe mir mehr Sicherheit zu wissen, dass das Richtige in deinem Sinne geschieht.

Diese Unsicherheit kommt immer wieder zurück. Denn ich spüre, dass jetzt die Situation eintritt, vor der ich mich schon lange, spätestens seit dem 17. Mai fürchte. Als ich damals zustimmte zum Abbruch deiner Therapie, habe ich in die Runde gefragt, was ist, wenn die Vorhersage nicht eintrifft? Was ist dann? Wer hilft uns dann? Wie lange? Wie weit?

Ich weiss nicht ob dein Tod besser gewesen wäre. Ganz sicher wäre es einfacher gewesen. Nicht für mich, nicht für dich. Nur du bist noch nie den einfachen Weg gegangen. Aus irgendeinem Grund hast du dich für das Leben entschieden. Zumindest bis heute, was morgen, in einer Woche, einem Monat, einem, zehn oder 20 Jahren ist, wissen wir nicht. Keine Angst es ist gut so, wie es ist. Denn wenn es gut ist für dich, ist es auch gut für mich. Jeder Tag zählt, nur der Tag. Nicht gestern und nicht morgen, nur heute.

Ich wünschte nur, dieser Kampf wäre nicht so grausam. Nicht so zermürbend. Mich zermürbt am Meisten, dass ich oftmals nur bei dir sein kann. Mehr liegt nicht in meiner Macht. Es liegt mir sehr am Herzen, dass es dir gut geht und dass es zum Besten kommt. Nur was gut ist und was das Beste ist, dass kannst nur du bewegen, anstreben und bestimmen. Ich wünsche mir sehr, dass du uns bald mitteilen kannst, was du brauchst und willst. Obwohl du es immer wieder tust. Gestern hast du mir z.B. geagt: "Ich hör dir ja zu." Und etwas später:"Ich will ja wieder selbständig werden". Die allerbeste Voraussetzung die du nur mitbringen kannst. Diese vereinzelten Sätze und Worte sind Balsam auf meine geschundene Seele.

Dennoch ist mir wichtig, dass es hier nicht um mich geht, sondern nur um dich. In den letzten Tagen und Wochen wurde ich oft angesprochen und einige haben mir erstaunt gesagt: "Du siehst ja ganz gut aus. Du scheinst es ja ganz gut zu tragen." Ich frage mich dann jeweils, was bleibt mir denn anderes übrig? Hab ich eine Wahl? Hast du eine Wahl? Es scheint, dass du dich für das Leben entschieden hast. Also gut, gehen wir es an, das Leben. Leben es, so du es für gut bestimmst. Oder zumindest bis du zu dem Punkt kommst an dem du wieder selbst über dein Leben entscheiden kannst. Ich jedenfalls masse mir nicht an über dein Leben zu bestimmen. Allse was ich tun kann, ist dafür zu sorgen, dass wenn du leben willst, kannst und darfst, dass es ein so angenehmes Leben wie möglich wird. Das ist leider alles was ich für dich tun kann.

Mum ich kenne niemanden der so stark ist wie du. Du bist wirklich eine Stehauffrau. Und die letzten Tage kommt mir immer wieder der Spruch einer deiner Kundinnen in den Sinn.

Wenn du ganz unten bist im Leben, dann stell dir vor du seist ein Frosch in der Schlagsahne. Dort strampelst du so lange bis die Schlagsahne steif wird und dann bist du wieder obenauf und hast wieder Boden unter den Füssen.

Packen wir's an und stampeln weiter jeden Tag von neuem. Wir sind nicht allein. Zum Glück.

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