Gib mir die Spritze


Frohen Mutes und etwas erleichtert, bin ich heute zu dir gekommen. Das verlegen ins Regionalspital war organisiert und die Schwester hat mich am morgen früh über das erneute CT informiert. Ganz ehrlich, es hat mich nicht beunruhigt, denn du hast mir gestern ja gesagt, dass du mich gern hast.

Somit bin ich nach der Arbeit im strömenden Regen gut gelaunt zu dir gekommen. Gotti und Heidi waren grad bei dir und du hast ziemlich entspannt geschlafen. Ja, ich hatte sogar das Gefühl, dass du im Schlaf etwas gelächelt hast.

Wie immer war es nicht langweilig bei dir. Es kam der Pfarrer, dann die Physiotherapeutin, die Schwester eines Schulkameraden von mir, die Visite und schlussendlich der Arzt. Bevor der Arzt kam, haben wir uns unterhalten. So wie wir es die letzten Tag gelernt haben, ich schwatzend und du mit den Augen oder deiner Hand. Als der Arzt kam, hast du mir grad den Kopf gestreichelt.

Der Arzt hat uns dann informiert, dass eines der 4 Hirnventrikel sich ausgedehnt hat und es notwendig ist eine Drainage zu legen, die den Liquor ableitet. Es sei eine einfache Operation von ca. einer Stunde, die morgen stattfinden wird. Während des Gesprächs mit dem Arzt hast du beinahe wild mit deiner Hand herumgefuchtelt und verzweifelt versucht uns etwas mitzuteilen. Es tut mir leid, dass ich dich nicht verstanden habe, aber es fiel mir sehr schwer dir und gleichzeitig dem Arzt die volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Der Hammer kam aber dann von dir. Nachdem der Arzt gegangen ist und mich um die Einwilligung für diese Operation gebeten hat, hast du zu mir gesagt: "Ich will nicht gelähmt sein. Gib mir die Spritze."

Vielleicht wirst du mir nie glauben, wie gut ich dich in diesem Moment verstanden habe, aber dass ich auch keine Möglichkeit hatte dir diesen Wunsch zu erfüllen. Es ist mir klar, dass du, je mehr du erwachst, dir bewusster wirst in welcher Situation du steckst. Nur du bist den Weg bis hierher gegangen und deshalb denke ich, dass wir auch die nächsten Schritte angehen müssen. Mit wir meine ich - du und alle die wir dir helfen können.

Andi wie auch der Arzt vom Kantonsspital haben mir versichert, dass dieser Eingriff deine Situation nur verbessern kann. Nichts tun, kann es zwar verschlechtern, aber du wirst daran nicht sterben. Die Spritze wird dir in deinem heutigen positiven Zustand niemand geben. Deshalb gehen wir vorwärts. Du, Liz, ich und alle die dich und damit uns unterstützen. Gemeinsam sind dir stark. Deine Worte.

Mum, du hast noch nie auf halben Weg aufgegeben. Wir gehen diesen Weg gemeinsam zu Ende. Falls wir dann an einem Punkt ankommen, der für dich nicht gut ist, hast du jede Freiheit die du brauchst. Dann aber ist es dein ganz eigener Entscheid, den du alleine Treffen und Tragen musst. Verzeih mir bitte. Ich liebe dich.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Die größten Menschen sind diejenigen, die anderen Hoffnung geben können.

Su, du bist wunderbar!

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