Die Wand


Wann immer möglich, wenn ich bei Mum bin, lese ich ihr weiter in ihrem Lieblingsbuch - Die Wand von Marlen Haushofer - vor. Erst vor kurzem habe ich das Buch von ihr ausgelehnt und noch das letzte Mal als wir uns gesehen haben, hat sie gefragt wo das Buch sei. Ich hatte noch nicht begonnen mit lesen, da ich dem Buch mit gemischten Gefühlen entgegensah.

Mum hatte mir schon oft von diesem Buch erzählt und sie sagte auch, dass sie sich schon öfter in ihrem Leben so fühlte. Eingeschlossen in einer Welt ohne Kontakt zur Aussenwelt.

Je mehr Seiten ich dieses Buches vorlas, desto trauriger und hilfloser fühlte ich mich. Einerseits weil ich es nie wahrnahm, wie einsam sich in manchen Moment ihres Lebens sie sich gefühlt haben muss und andererseits die erschreckende Parallele zum Jetzt.

Meine lebensmutige und lebensfrohe Mum gefangen in ihrem eigenen Körper ohne Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zur Aussenwelt. Einmal mehr.

Dennoch habe ich bei jedem Besuch und auch beim Vorlesen das Gefühl, dass sie bei mir ist, mich spürt und auch versteht. Vielleicht nicht die Sprache, die wir Sprache nennen, aber es ist mehr da als mir alle weismachen wollen.

Wir werden die Wand sprengen. Wir werden uns befreien, was auch immer das heissen wird.

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